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Geranien auf den Baikonen und den Rosenstöcken vor dem
Haus. Er will mal Torwart werden.«
Ich schwieg.
»Letztendlich bleiben die Gründe unseres Handelns im
Dunkeln«, sagte Ferenz. Er stand jetzt hinter mir, aber ich
wandte mich nicht um. Ich sah zu der Stelle, wo die Kollegen
die Leiche des Mädchens ausgegraben hatten.
Vor einem Jahr hatte der achtundsechzigjährige Pfarrer Karl-
Maria Wild sie dort verbuddelt, und niemand wollte etwas
bemerkt haben, nicht die Bauern in der Nachbarschaft, nicht die
Haushälterin Franziska Bergrain, kein nächtlicher
Spaziergänger, keine jugendlichen Rumtreiber.
Auf einer Fläche von vier Quadratmetern war schon vor
längerer Zeit Erdreich ausgehoben worden, da der Pfarrer
plante, einen kleinen Pavillon aus Holz für die Kinder, die hier
ständig herumtollten, errichten zu lassen. Doch dann bekam er
das Geld nicht wie erwartet zusammen, und die Grube wurde
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erst einmal wieder zugeschüttet.
»Sie wissen, warum er die Tat begangen hat, Sie haben seine
letzten Worte gelesen.«
»Ja«, sagte ich.
Aus den Augenwinkeln sah ich Ferenz nicken. Ich hörte ihn
atmen. Vielleicht wollte er mich loswerden, er wirkte unruhig,
in seiner Stimme lag ein abweisender Unterton.
»Mir hat die Polizei in das Vermächtnis nicht Einblick gewährt,
ich akzeptier das, ich bin kein Verwandter. Was Sie und Ihre
Kollegen interessiert, ist das Motiv, was sonst? Und das Motiv
war Angst, elementare, existenzielle Angst. Er fühlte sich
bedroht, und sein Verstand hat versagt. Legen Sie das bloß nicht
falsch aus! Ich entschuldige nichts, Gott behüte! Mein Freund hat
ein zehnjähriges Mädchen erstickt und die Leiche im Garten des
Pfarrhauses vergraben, das ist das Schlimmste, was man sich
denken kann. In gewissem Sinn ist es apokalyptisch & «
»Es ist die Tat eines Menschen«, sagte ich.
»Bitte?« Er trat einen Schritt näher und sah mich von der Seite
an. »Die Tat eines Menschen? Ich leugne das nicht, ich versuch
nur zu verstehen. Ihn zu verstehen, zu begreifen, was in ihm
vorgegangen sein mag.«
Weil ich seinen Blick nicht erwiderte, schaute er ebenfalls aus
dem Fenster, wobei er zwischen den Sätzen den Kopf
unmerklich zu mir drehte. »Warum, wissen wir nicht. Aber die
kleine Anna war hier im Garten, wie vorhin der Wastl, wir
haben das Kräuterbeet hier, die Stachelbeersträucher, das Schilf,
den kleinen Tümpel, lauter Dinge, die Kinder neugierig machen.
Deswegen auch der Plan für den Pavillon. Zum Ausruhen
zwischendurch, zum Lesen, zum Innehalten. Sie war also da, die
kleine Anna, und sie schaute durchs Fenster.« Er wartete auf
eine Reaktion von mir, die ich verweigerte. »Und was sie sah,
erschreckte sie. Erschreckte sie in dem Ausmaß, wie auch Wild
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und & und seine Freundin erschraken.«
In riesigen Schlagzeilen hatten die Zeitungen über die Szene
berichtet, oder darüber, wie die Leser sich den Moment der
peinlichen und so fürchterlich endenden Enttarnung vorstellen
sollten. Seriösere Blätter entfachten die Diskussion über den
Sinn des Zölibats von neuem, und in den Erklärungen der
ermittelnden Kripo überwogen Vermutungen und allgemeine
Formulierungen.
Doch niemand außerhalb der Soko bezweifelte grundsätzlich
das auslösende Moment für die Tragödie an jenem sonnigen
fünften Juli.
Dabei hatte Karl-Maria Wild im Abschiedsbrief an seine
Geliebte die Wahrheit unmissverständlich offen gelegt.
»Das Mädchen ist weggerannt«, sagte Ferenz. »Und nun
liegen die beiden da, ertappt, von Schuld und Scham
überwältigt. Ein grauenhafter Moment für Wild. Und dann
passiert etwas Merkwürdiges.«
Um seine Unruhe nicht weiter zu steigern, sagte ich: »Anna
hat niemandem von ihrem Erlebnis erzählt.«
Da Ferenz damit gerechnet hatte, dass ich weiterredete,
brauchte er eine Weile, bis er meinen wieder auf die Grube
gerichteten Blick bemerkte. »Genau. Was hätte Wild tun sollen?
Er hat sie beobachtet. Wollte mit ihr sprechen, herausfinden,
was in ihr vorgeht.« Wieder sah er mich eindringlich von der
Seite an. »Der schwarze Mann auf dem Bild des Mädchens, das
war er, was meinen Sie? Sicherlich.«
Ich sagte: »Wir wissen es nicht. Anna hat viele Bilder nur in
Schwarz gemalt, sie mochte die Farbe, sagt ihre Mutter. Wir
werden nie erfahren, wer der schwarze Mann neben dem
schwarzen Haus ist.«
»Aber warum hat er sie umgebracht, wenn sie doch
niemandem was erzählt hat?« Unwirsch schlug Ferenz gegen die
Gardine und wandte sich dem Zimmer zu.
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»Stimmt das, Herr Süden, was Ihre Kollegen öffentlich
verbreitet haben, nämlich, dass es im Auto zum Streit zwischen
ihr und ihm gekommen ist und er in einer Art Reflex
zugeschlagen und ihr dann den Mund zugehalten hat? Und dass
er erst gemerkt hat, dass sie tot ist, als es zu spät war? Weil er
außer sich war. Weil er außerhalb & jeglicher Vernunft war? Ist
das so? Sagen Sie mir, was Sie wissen, nichts von unserem
Gespräch dringt nach draußen, das versprech ich Ihnen. Ich will
begreifen, ich will endlich die Wahrheit wissen.«
»So hat er es in seinem letzten Brief geschrieben«, sagte ich
ohne zu zögern und drehte mich zu Ferenz um.
»Er machte einen Krankenbesuch in der Prälat-Kremer-Straße,
er stieg in seinen Wagen, und als er wegfahren wollte, bemerkte
er das Mädchen, das auf dem Weg zum See war. Er sprach es
vom Auto aus an, sie stieg ein, weil er mit ihr reden wollte, und
es kam zum Streit. Wir haben nur seine Aussage, es gibt keine
Zeugen, niemandem fiel der weiße Passat auf, es war nur ein
Auto von hunderten, die an diesem Samstagnachmittag in der
Nähe des Taginger Sees unterwegs waren. Pfarrer Wild wollte
Anna unauffällig aushorchen, er hatte keine Ruhe mehr, er
konnte an nichts anderes denken. Schon ein paar Mal hat er
versucht, mit ihr zu sprechen, er hat sie auf dem Schulweg
abgepasst. Aber immer redete er nur belanglos mit ihr,
erkundigte sich nach ihren Noten, beobachtete nur ihr Verhalten.
Vermutlich horchte er auf Zwischentöne, auf Anspielungen.
Und an diesem Samstag sagte sie ihm ins Gesicht, sie wolle jetzt [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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